Das U16-Mädchenteam des FC Red Bull Salzburg hat die erste Halbsaison in der U14 – 1. Sparkassenliga auf dem zweiten Tabellenplatz abgeschlossen. VICTAURI.at hat mit Trainer Dusan Pavlovic gesprochen und sich über Überraschungen in der Vorbereitung, die Erzieher-Rolle von Trainern, das Derby gegen den SV Austria Salzburg sowie den Fahrplan für die kommenden Monate unterhalten.

VICTAURI.at: Wie ist dein Engagement beim FC Red Bull Salzburg zustande gekommen?

Dusan Pavlovic: Das war ganz spontan. Vor meinem Engagement beim FC Red Bull Salzburg war ich in Ried, wo ich in der Akademie U16-Cheftrainer gewesen bin. Ich war dann schon auf dem Sprung zu ZSKA Sofia, wo Sasa Ilic, ehemaliger Spieler des FC Red Bull Salzburg, Trainer war. Dann hat mich Manfred Pamminger (Geschäftsführer der Red Bull Fußball Akademie und des FC Liefering, Anm.) kontaktiert. Er hat mir gesagt, dass ich die erste Person gewesen bin, an die er in der Trainerfrage gedacht hat. Ich habe ehrlich gesagt nie daran gedacht, einmal Mädchen zu trainieren, doch ich war mir sicher: Wenn das der FC Red Bull Salzburg startet, kann es nur eine coole Sache werden. Bernd Winkler, mit dem ich bei SV Austria Salzburg zusammengespielt habe und den ich gut kenne, wurde als Leiter Frauenfußball vorgestellt. Dann haben wir uns zu dritt für ein Gespräch zusammengesetzt. Innerhalb von zehn Minuten war klar, dass das passt. Bei mir war die Begeisterung da. Ich war mir sicher, dass das in dieser Konstellation funktionieren wird.

War es für dich eine Umstellung, nur Mädchen zu trainieren?

Ein paar Mädchen habe ich schon im Landesverbandsausbildungszentrum (LAZ), wo ich drei Jahre gewesen bin, trainiert. Da waren Alessia Pamminger und Sara Grabovac, die jetzt bei uns im Team sind, dabei. Auch Valentina Akrap oder Helena Milanovic habe ich gekannt. Ich hatte also immer ein oder zwei Mädchen in meinem Team, weshalb es für mich beim FC Red Bull Salzburg nicht ganz neu war. Es ist trotzdem anders, wenn du nur Mädchen im Training hast. Sie sind ruhiger und fokussierter. Am Anfang hatten sie aufgrund des neuen Umfelds auch viel Respekt. Für mich war es aber keine Riesenumstellung. Es gibt jedoch viele Männer, die es sich gar nicht vorstellen können, als Trainer in einem Frauenteam zu agieren. Für mich ist das nicht so. Fußball steht im Vordergrund und wenn man eine Emotion für das, was man tut, hat, ist es nicht entscheidend, ob du mit Mädchen oder Jungs arbeitest.

Die Vorbereitungsspiele sind dann gleich deutlich zugunsten des FC Red Bull Salzburg ausgefallen.

Das war überraschend. Im ersten Spiel gegen den LASK hatten die Linzerinnen vier, fünf ältere Spielerinnen, die schon im Erwachsenenfußball auflaufen, dabei. Ich habe mir gedacht: Puh, wie das wohl wird. Bernd (Winkler, Anm.) hat dann einen Spaß gemacht und gesagt: Wir gewinnen heute. Und ich habe mir gedacht: Hoffentlich wird es keine richtige Klatsche, das wäre nicht gut für die Motivation. Dann gewinnen wir 5:0. Da waren wir schon richtig überrascht. Für mich war der Sieg (4:0, Anm.) gegen den SK Sturm Graz aber die größte Überraschung, da sie drei, vier U17-Teamspielerinnen im Team haben. Mit der Technik am Ball waren sie auch richtig gut, vielleicht sogar besser als wir. Womit die anderen Mannschaften aber nicht gut klarkommen, ist das Angriffspressing und das ständige Anlaufen. Diese Erfahrungen haben sie noch nicht gemacht, was ein Vorteil für uns war. Nach zwei, drei Spielen haben wir gesehen: Ok, wir können auf diesem Niveau mitspielen.

Die Nervosität vor dem ersten Pflichtspiel war dann also gar nicht mehr so groß?

Man muss schon unterscheiden zwischen Spielen gegen Mädchen und gegen Jungs. Die Jungs sind etwas jünger, aber motorisch ganz anders. Jede Mannschaft hat drei, vier schnelle Jungs, was uns vor Probleme stellt, aber auch wertvoll ist, da die Mädchen vor allem kognitiv gefordert werden. Die Jungs sind in den Umschaltsituationen und Ballbesitzwechseln schon schneller und agiler. Auch in der Entscheidungsfindung sind die Jungs einen Tick schneller, egal ob im Kopf oder mit den Beinen. Da musst du immer auf der Höhe sein. Vor dem ersten Meisterschaftsspiel haben wir aber gewusst, dass wir mithalten können. Wir haben uns generell, was die Ergebnisse angeht, gar nicht unter Druck gesetzt. In einer U16 geht es darum, Mädchen und Jungs zu entwickeln. Aber wenn wir das Spiel auf unsere Art und Weise interpretieren und am Ende ein Sieg steht, ist es natürlich perfekt. Es ist aber nicht so wie im Erwachsenenfußball, wo du auch schlecht spielen kannst, solange das Ergebnis stimmt. Wir hatten allerdings Spiele gegen Jungs, die mit dem Zugang „Hauptsache, wir gewinnen gegen die Mädchen“ in die Partie gegangen sind. Da wurden die Bälle meist hoch und weit nach vorne geschossen. Das habe ich nicht immer cool gefunden, denn in so einem Spiel lernen die Spieler für die Entwicklung gar nichts.

Welche Schwerpunkte werden bei euch in Training und Spiel gesetzt?

Es ist eine Mischung aus Taktik, Technik und Athletik. Vor allem die Athletik ist bei uns enorm wichtig, weil wir „Red-Bull-Fußball“ spielen wollen. Pressing, Anlaufen oder Überzahl in Ballnähe funktionieren nicht, wenn Spieler oder Spielerinnen nicht in der Lage sind, schnell zu laufen. Was bei uns zudem vielleicht noch ein bisschen mehr im Vordergrund steht als bei anderen Klubs, ist der mentale Aspekt. Wir brauchen „Regelbrecher“, wie wir sagen. Also Spielerinnen, die sich beispielsweise trauen, vom eigenen Tor 70 Meter nach vorne zu sprinten und den Gegner unter Druck zu setzen. Wir setzen bewusste Impulse in Richtung proaktiven Fußball. Ich kann aus Erfahrung sagen, dass die physischen und mentalen Aspekte mindestens genauso wichtig sind wie Technik und Taktik.

Du hast den mentalen Aspekt angesprochen. Nach der ersten Niederlage gegen den SV Grödig waren die Spielerinnen sichtlich niedergeschlagen. Wie habt ihr das Spiel aufgearbeitet?

Wir haben bis dahin alles gewonnen. Das erzeugt Erwartungen, die schnell in die Höhe steigen können, wenn man ein paar Erfolgserlebnisse hat. Das ist auch ok. Aber es ist auch wichtig, dass man Niederlagen hat. Im Sport sind Niederlagen die wichtigste Kategorie, vor allem, wenn es um die Weiterentwicklung geht. Von einer Niederlage lernst du am meisten. Im Endeffekt hat uns die Niederlage gegen Grödig gutgetan. Es ist aber natürlich verständlich, dass die Mädchen danach enttäuscht sind. Wobei wir nicht vergessen dürfen, dass wir in einem Entwicklungsprozess sind. Nach zwei Monaten intensiver Arbeit hast du auch einmal eine Phase, in der du physisch nicht mehr auf dem allerhöchsten Niveau bist. Wir haben natürlich probiert, die Mädchen aufzubauen. Und das ist ein wichtiger Punkt: Bei den Jungs muss man das auch machen, bei den Mädchen noch mehr. Sie sind von Haus aus unglaublich selbstkritisch und neigen dazu, mit sich zu hadern. Als Trainer musst du dann sagen: Es ist alles ok, wir machen trotzdem eine gute Entwicklung, eine Niederlage gehört dazu.

In der Sportlerkultur geht es zu einem großen Prozentsatz auch ums Erziehen. Dazu gehören so viele Sachen. Wie gehe ich mit Niederlagen oder Siegen um? Wie gehe ich damit um, dass ich eine „Red-Bull-Sportlerin“ bin? Was bedeutet das für mich privat? Als Trainer hast du einen enormen Einfluss auf die Spielerinnen und damit eine Verantwortung. Es geht in erster Linie um menschliche Beziehungen. Was machen wir da?  Wofür machen wir es? Was ist die Entwicklung? Wie funktioniert die Entwicklung? Wieso bin ich heute müde? Wieso kann ich heute nicht so gut trainieren oder spielen wie gestern? Diese Dinge erleben die Jungs vielleicht in einem jüngeren Alter. Vor allem bei solchen Klubs wie dem FC Red Bull Salzburg, weil sie vier-, fünf,- sechsmal die Woche trainieren und spielen. Unsere Mädchen haben, bis sie 13, 14, 15 Jahre alt waren, vielleicht nicht diese Möglichkeit gehabt. Deshalb wollen wir auch da ansetzen und unseren Spielerinnen die Möglichkeit geben, sich zu entwickeln.

Kann man diese Erzieher-Rolle als Trainer lernen oder muss man dafür „gemacht sein“?

Man kann schon vieles lernen, nur, du musst es fühlen. Denn die, die dir gegenüber stehen, fühlen es auch. Sie spüren, ob der Trainer irgendwas erzählt oder ob er es wirklich fühlt und denkt. Vor allem Kinder und Jugendliche haben diese Gabe, das zu fühlen.

Machen wir einen Sprung zurück zum Spiel gegen den SV Grödig. Dort war eine Videokamera aufgebaut. Werden die Spiele bei euch mittels Videomaterial analysiert?

Ja, wir filmen und analysieren Dinge wie Mannschaftstaktik, Gruppentaktik und individuelle Taktik. Das ist ein wichtiges Puzzleteil für die Entwicklung, vor allem bei den Jugendlichen, die damit noch nie Erfahrungen gemacht haben. Sie wollen sich auch einmal sehen und fragen sich dann: Was habe ich da gespielt? Was habe ich da gedacht? Das hilft ihnen enorm.

Bekanntlich zieht sich die Raute durch die Jugendmannschaften des FC Red Bull Salzburg. Bist du dazu angehalten, diese auch bei den Mädchen zu implementieren oder bist du in der Wahl der Grundformation frei?

Die Grundformation ist frei wählbar. Bei uns geht es vielmehr um die Prinzipien, um die Art und Weise, wie wir Fußball spielen wollen. Da ist die Raute nicht entscheidend, aber wie aus dieser Raute gespielt wird, ist im Klub vorgegeben und zieht sich durch alle Mannschaften. Das ist auch kein Geheimnis. Wir wollen „Red-Bull-Fußball“ spielen und wir wollen, dass man das erkennt, ohne auf die Trikots zu schauen. Das hilft auch den Spielerinnen sehr, weil es konkrete Aufgaben im Spiel gibt. Es ist nicht heute so und morgen anders.

Ein spezielles Spiel der vergangenen Halbsaison war jenes gegen den SV Austria Salzburg. Du hast als Ex-Spieler eine Vergangenheit bei dem Klub. Wie war die Stimmung rund um die Partie?

Ich war etwas überrascht, wir wurden auch da wirklich nett empfangen, so wie es aber eigentlich immer sein sollte. Die Fairness, die die Jungs den Mädchen gegenüber gezeigt haben, kann man sich zwischen dem FC Red Bull Salzburg und dem SV Austria Salzburg nur wünschen. Das war wirklich beispielhaft.

Wie fällt dein Fazit der ersten Halbsaison aus?

Es war gut bis sehr gut. Wir haben acht Spiele, manche davon sehr klar, gewonnen und nur zwei verloren. Es geht auch immer um die Art und Weise, wie wir Spiele gewonnen, aber auch verloren haben. Und mit dem „Wie“ müssen wir richtig zufrieden sein. In unserer Entwicklung ist aber gerade erst Halbzeit. Im Endeffekt geht es darum, wo die Spieler in ein, zwei oder drei Jahren sind und nicht darum, ob sie in der U14 – 1. Sparkassenliga gegen die Jungs ein, zwei oder drei Punkte mehr oder weniger geholt haben. Aber natürlich freut man sich, wenn man gut spielt und gewinnt. Das gehört dazu. Es ist dennoch anders als im Profigeschäft, wo es nur um Sieg oder Niederlage geht.

Wie viel „Red-Bull-Fußball“ konnte man in der ersten Halbsaison bereits sehen?

Sehr viel. Damit bin ich sehr zufrieden. Das ist das, was uns alle im Klub richtig freut. Von Philosophie-Aktionen und -Toren gab es richtig viele. Das macht Lust auf mehr.

Mir fällt es schwer, im Jugendbereich einzelne Spieler oder Spielerinnen hervorzuheben, weil es im jungen Alter noch in so viele Richtungen gehen kann. Dennoch würde mich deine Einschätzung zu Kapitänin Sara Grabovac interessieren. Wohin kann es für sie in Zukunft gehen?

In diesem Alter kann man nicht sagen, was ein Spieler oder eine Spielerin erreicht. Wir reden grundsätzlich nicht über einzelne Spielerinnen. Wir sind für Teamfußball bekannt. Und in unserem Fußball kommt man als Einzelkämpfer nicht weit. Damit wir als Team funktionieren können, müssen wirklich alle mitmachen. Das ist etwas, was ich sicher zehnmal in der Woche erwähne: dass wir wirklich alle zu dem Team gehören. Und dass die Spielerin, die zehn Minuten spielt, genauso wichtig ist wie etwa die Kapitänin. Denn die Spielerin bringt in zehn Minuten genau die Energie auf den Platz, die wir unbedingt brauchen.
Sara hat zum Beispiel das 3:2 gegen den SV Seekirchen aus 23 Metern ins Kreuzeck geschossen. Aber zwei Spielerinnen, die kurz zuvor ins Spiel gekommen sind, haben einen Einwurf für uns erkämpft, den Ball erobert und zu Sara gespielt. Ohne die zwei Spielerinnen kommt Sara nicht in die Lage, aufs Tor zu schießen. Natürlich loben wir jede einzelne, die gut spielt, aber im Vordergrund steht das Team. Das ist auch eine Riesenqualität unserer Gruppe. Sie mögen sich untereinander und sind auch außerhalb des Platzes miteinander unterwegs. Das geht nur, wenn du ein Team hast.

Für die Saison 2024/25 ist in Kooperation mit dem FC Bergheim ein U20-Team, das in der Future League auflaufen soll, geplant. Gibt es Überlegungen, dass Spielerinnen der aktuellen U16-Mannschaft Teil dieses Teams sind?

Das kann natürlich sein. Es gibt aber noch keinen konkreten Plan. So weit sind wir noch nicht. Da lassen wir uns Zeit.

Was steht im Jahr 2023 noch an?

Wir trainieren noch bis Weihnachten und spielen jetzt wieder Testspiele gegen Mädchenteams. Wir haben beispielsweise gegen die Kampfmannschaft des FC Eugendorf, also das erste Mal gegen Erwachsene, gespielt. Da haben wir 8:0 gewonnen. Ein Highlight ist das Spiel gegen das U16-Mädchenteam des FC Bayern München am 9. Dezember in München.

Gibt es schon einen Plan fürs Frühjahr?

Ende Jänner spielen wir gegen die U16 des SKN St. Pölten. Es wird spannend, zu sehen sein, wo wir im Vergleich zu ihnen stehen. Es gibt auch noch „Rückspiele“ gegen den FK Austria Wien und den SK Sturm Graz, die nach Salzburg kommen werden. Wir haben also ein dichtes Programm, langweilig wird es nicht, aber wir freuen uns natürlich darauf.

Und du bleibst U16-Trainer?

Bis zum Sommer bleibe ich U16-Trainer. Wie es danach weitergeht, ist noch offen.